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Der blinde Fleck - Täter. Attentäter. Einzeltäter? - Plakat zum Film

DER BLINDE FLECK - TäTER. ATTENTäTER. EINZELTäTER?

(D, 2013)


Regie: Daniel Harrich
Film-Länge: 99 Min.
 

 
 
 
 
 

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 Kino-Start:
 16.01.2014

 DVD/Blu-ray-Start:
 20.05.2014

 Free-TV-Start:
 10.10.2014

 (arte)

"Der blinde Fleck - Täter. Attentäter. Einzeltäter?" - Handlung und Infos zum Film:


München 1980. Seit einem Jahr ist Ulrich Chaussy (Benno Fürmann) mit seiner Frau Lise (Nicolette Krebitz) verheiratet, doch der junge Radiojournalist vom Bayerischen Rundfunk lebt weiter in seiner Wohngemeinschaft. Eines Nachts stürmt ein Sondereinsatzkommando der Polizei das Haus. Vermummte und schwer bewaffnete Beamte überwältigen Ulrich Chaussy und bringen ihn ins Münchner Polizeipräsidium. Bei der Vernehmung werden ihm "Verdacht auf Bildung einer kriminellen Vereinigung, Ausbildung in Sprengstofftechnik und Vorbereitung von Sprengstoffverbrechen" vorgeworfen. Beweise gibt es keine, nur den verleumderischen Hinweis "einer Person, die diesen Staat bejaht". Ferner, so erklärt ihm der Kommissar, wären Chaussy und seine WG-Kollegen "nicht die ersten Linken, die anfangen, Bomben zu bauen".

Die zunehmende Militarisierung der rechtsextremen Szene in Bayern wird unterdessen verharmlost. Regelmäßig treffen sich bewaffnete und uniformierte Gefolgsleute von Karl-Heinz Hoffmann (Michael Jäger), Gründer der Wehrsportgruppe Hoffmann, in einem Waldgebiet, um Krieg zu spielen. Bundesinnenminister Gerhart Baum verbietet 1980 die Wehrsportgruppe, die zuvor mehrere Jahre lang von der bayerischen Landesregierung geduldet und verharmlost wurde. So sagte Bayerns Ministerpräsident Franz Josef Strauß, zugleich Kanzlerkandidat der CDU/CSU im Wahlkampf 1980: "Mein Gott, wenn ein Mann sich wünscht, am Sonntag auf dem Land mit Rucksack und einer geschlossenen Koppel spazieren zu gehen, dann soll man ihn gefälligst in Ruhe lassen." Zu seinem Beraterstamm zählte Dr. Hans Langemann (Heiner Lauterbach), Chef der Staatsschutzabteilung im bayerischen Innenministerium.

In einer Vorlesung an der Polizeiakademie referiert Dr. Hans Langemann über sein Spezialthema "Das Attentat". Bei vielen politisch motivierten Gewaltakten im Laufe der Geschichte hat der Terrorexperte eine Parallele entdeckt: "Sie wurden in den allermeisten Fällen von einem vorgeschobenen Einzeltäter begangen. Von Caesar bis Sissi, von Lincoln bis Kennedy verschwinden die Strippenzieher in einem verklärenden Nebel, wird die Schuld auf einen einzelnen Täter, ein Bauernopfer, fokussiert." Dieser Einzeltäter gleiche einer Marionette. Im Augenblick der Tat würden die Fäden gekappt. "Wird nicht sofort und diskret im Umfeld des ausführenden Täters ermittelt, findet man nur noch lose Enden, die ins Leere laufen", warnt Dr. Langemann seine Zuhörer. "Die Strippenzieher können unerkannt verschwinden."

Im August 1980 beziehen Ulrich und Lise Chaussy ihre erste gemeinsame Wohnung. Sie liegt unweit der Theresienwiese, auf der bereits die Aufbauarbeiten für das beliebteste Volksfest der Welt laufen. Im September ist es soweit: Der Umzug der Wiesnwirte beginnt, Menschenmassen säumen die Straßen, Oberbürgermeister Erich Kiesl eröffnet die Wiesn mit einem Fassanstich im überfüllten Bierzelt. "O‘zapft is!"

Freitag, 26. September 1980, 22.19 Uhr. Ulrich und Lise Chaussy hören von ihrer Wohnung aus einen ohrenbetäubenden Knall. Ihr Blick geht durchs Fenster Richtung Theresienwiese. Am Haupteingang hat ein Sprengsatz 13 Menschen getötet, mehr als 200 verletzt, 68 von ihnen schwer.

Bayerns Ministerpräsident Franz Josef Strauß fliegt aus Bonn ein und diskutiert mit Dr. Hans Langemann das weitere Vorgehen. "Wir müssen die Situation nutzen, die Wahlen sind in einer Woche", erklärt der Sicherheitsexperte. Bei einer eilig einberufenen Pressekonferenz am Ort des Anschlags wettert Strauß: "Das ist der Beweis für das völlige Versagen der Bundesregierung. Linker Terror hat keinen Platz in unserem Land. Innenminister Baum muss zurücktreten!"

Doch schnell finden sich Hinweise, dass der oder die Täter aus rechten Kreisen stammen. Bei der ersten Pressekonferenz am 28. September 1980 erklärt Generalbundesanwalt Kurt Rebmann: "Nach den derzeitigen Ermittlungen kommt als Täter der 21-jährige Geologiestudent Gundolf Köhler (Fabian Halbig) aus Donaueschingen in Betracht. Er kam bei dem Attentat ums Leben. Anhaltspunkte dafür, dass Köhler Selbstmord begehen wollte oder begangen hat, liegen nicht vor. Wir nehmen nicht an, beim gegenwärtigen Stand der Ermittlungen, dass Köhler als Alleintäter gehandelt hat. Die Ermittlungen haben ergeben, dass Köhler Mitglied der Wehrsportgruppe Hoffmann war."

Die vorläufige Verhaftung Karl-Heinz Hoffmanns und weitere Ermittlungen bestimmen in den folgenden Wochen die Nachrichten. Es gibt zahlreiche wilde Spekulationen und Schuldzuweisungen. 1983, drei Jahre nach dem schwersten Anschlag in der deutschen Nachkriegszeit, verkündet Generalbundesanwalt Kurt Rebmann (Miroslav Nemec) einen überraschenden Abschlussbericht: "Nach ausgiebigen Ermittlungen sind wir zu dem Schluss gekommen, dass das Attentat auf das Münchner Oktoberfest am 26. September 1980 die Tat eines Einzeltäters war. Gundolf Köhler aus Donaueschingen handelte aus persönlichen Motiven, sexueller Frustration und Perspektivlosigkeit. Ein politisches Motiv konnte nicht erkannt werden. Es gibt keinen Hinweis auf eine Beteiligung weiterer Täter."

Werner Dietrich (Jörg Hartmann), Anwalt vieler Opfer des Anschlags, ist empört. Im Interview mit Ulrich Chaussy weist er den Journalisten auf Ungereimtheiten hin, die eine Einzeltäterschaft Gundolf Köhlers ausschließen. Chaussys beruflicher Ehrgeiz ist geweckt, er nimmt Kontakt zu Zeugen und Opfern des Anschlags auf, läuft aber in vielen Fällen gegen Mauern oder trifft auf Zeugen, die seit ihrer Vernehmung durch die Polizei eingeschüchtert wirken. Nur wenige sind bereit, sich auf der Theresienwiese von Ulrich Chaussy interviewen zu lassen. Sie berichten übereinstimmend von zwei Männern, die mit Köhler unterwegs waren und sich vor und nach der Explosion verdächtig verhalten hätten. Eine Zeugin konnte sie gut beschreiben, doch die Polizei meldete sich nie wieder bei ihr, um anhand ihrer Aussagen Phantombilder anzufertigen.

Chaussy produziert für den Bayerischen Rundfunk ein Feature, das die Einzeltäter-These in Frage stellt und schwere Vorwürfe gegen die Polizei und Justiz erhebt. Gleich nach der Ausstrahlung klingelt sein Telefon. Der geheimnisvolle Anrufer will sich mit ihm noch am selben Abend am S-Bahnhof Großhesselohe treffen. Ein elegant gekleideter Mann, der sich "Meier" (August Zirner) nennt und als persönlicher Referent von Dr. Hans Langemann Zeuge aller Ermittlungen und Entscheidungen war, sagt Ulrich Chaussy seine Hilfe bei weiteren Recherchen zu, sofern seine Anonymität gewahrt bleibt.

Wenige Tage später findet Chaussy vor seiner Wohnung einen Karton voller kopierter Akten zum Oktoberfestanschlag sowie Dr. Langemanns Promotion "Das Politische Attentat – Der vorgeschobene Einzeltäter". Der Journalist studiert die vielen tausend Seiten. Nachdem er die Verhörakte des Zeugen Frank Lauterjung (Felix Hellmann) gelesen hat, der Gundolf Köhler und weitere Männer in den Minuten und Sekunden vor der Explosion genau beobachtet hat, will er Kontakt zu ihm aufnehmen. Doch Lauterjung ist tot. Nach Auskunft seines früheren Hausmeisters starb der kerngesunde Mann mit 35 Jahren angeblich an einem Herzfehler, zuvor habe die Polizei den Kronzeugen "in den Wahnsinn getrieben".

Ein weiteres Vernehmungsprotokoll lässt den vermeintlichen Einzelgänger Gundolf Köhler in einem neuen Licht erscheinen. Sein Freund Max Gärtner (Til Schnidler) stellte ihn gegenüber der Polizei als sozialen Mann dar, der auch politisch motivierte Gewaltakte in Betracht zog. "Gundolf hat immer wieder von Anschlägen gesprochen", betonte Max Gärtner bei der Vernehmung. "Bomben in Bonn, in München. Irgendwann eben auf der Wiesn. Die Strategie war ganz klar: Die linken Sozis dürfen nicht wieder Kanzler werden, da lieber das geringere Übel: den Strauß. Der hat uns wenigstens in Ruhe gelassen."

Ulrich Chaussy fährt mit dem Opferanwalt Werner Dietrich nach Donaueschingen. Nach den schlechten Erfahrungen, die der Ort drei Jahre zuvor mit der Presse gemacht hat, will kaum jemand mit ihnen sprechen. Nur Gerhard Kiefer (Walter Hess), Redakteur der "Badischen Zeitung", sagt Hilfe zu. Chaussy und Dietrich fallen aus allen Wolken, als sie erfahren, dass der Boulevardjournalist Werner Winter (Udo Wachtveitl) damals schon in Köhlers direktem Umfeld recherchiert hat, bevor Köhler der Öffentlichkeit überhaupt als Einzeltäter präsentiert wurde. Woher hatte Winter diese interne Information?

Köhlers Jugendfreund Anton Franke und die ältere Schwester Margot Köhler zeichnen in Interviews mit Chaussy ein Bild des Studenten, das vom Psychogramm der Ermittler stark abweicht. Er sei nicht isoliert und perspektivlos gewesen, sondern habe zwei Wochen vor dem Anschlag einen Bausparvertrag abgeschlossen, habe eine Band gegründet und sei den ganzen Sommer mit einem Interrail-Ticket durch Europa gereist.

In einer Schwabinger Kneipe konfrontiert Chaussy den "Quick"-Reporter Werner Winter mit seiner Exklusiv-Geschichte "Der Wiesn-Massenmörder" aus dem Jahr 1980. Darin sei die Wahrheit zugunsten der bayerischen Landesregierung geschönt worden, die sich angeblich schon früh für ein Verbot der Wehrsportgruppe Hoffmann ausgesprochen habe. Zudem hätten Winters frühe Recherchen Köhlers Umfeld die Chance gegeben, Beweise zu vernichten und sich untereinander abzusprechen. Winter räumt ein, geheime Informationen von hoher Stelle erhalten zu haben, nennt aber die Quelle nicht.

Das übernimmt der geheimnisvolle Herr "Meier" beim zweiten Treffen mit Ulrich Chaussy: Dr. Hans Langemann höchstpersönlich habe ausgewählte Journalisten frühzeitig informiert und damit mögliche Mittäter und Hintermänner gewarnt. Mehrere von ihnen hätten den Freitod gewählt. Darunter Heinz Lembke (Jochen Decker), der für die rechte Szene Waffen und Sprengstoff organisiert habe. Im Abschlussbericht zum Oktoberattentat wurde aber nicht mal erwähnt, dass Lembke vernommen wurde und sich in seiner Zelle erhängt habe. "Er hätte der Schlüssel zur Klärung des Falles sein können", klagt Ulrich Chaussy an.

Der Journalist kniet sich immer tiefer in die Recherche. Nicht ohne Folgen: Er erhält einen Drohbrief und wird von einzelnen Kollegen verspottet. Auch Lise, die inzwischen schwanger ist, hat Angst, dass er in einen Strudel aus Verschwörungstheorien gerät.

Nach erneuter Prüfung stellt die Generalbundesanwaltschaft den Fall endgültig ein und bestätigt Gundolf Köhler ein weiteres Mal als Einzeltäter. Dr. Hans Langemann wird wegen Geheimnisverrats zu neun Monaten Haftstrafe auf Bewährung verurteilt. Ulrich Chaussy beschließt aus Rücksicht auf Lise und ihr erstes Kind, die Recherchen über das Oktoberfestattentat einzustellen.

Es vergehen mehr als 20 Jahre, bis 2006 ausgerechnet Lise Chaussy ihren Mann ermutigt, die Akten wieder aus dem Schrank zu holen. Sie hat gelesen, dass alte RAF-Morde dank moderner Möglichkeiten der DNA-Analyse neu untersucht werden und regt dies auch für das Oktoberfestattentat an. Ulrich Chaussy baut seine Hoffnungen vor allem auf eine abgetrennte Hand, die 1980 am Explosionsort gefunden wurde. Laut Untersuchungen stammt sie weder von Köhler noch von einem anderen bekannten Opfer, jedoch wurden Fingerabdrücke dieser Hand in Köhlers Bombenbastelkeller entdeckt. Dank DNA-Analyse ließe sich nun ein abgetauchter Mittäter ermitteln.

In Abstimmung mit dem Bayerischen Rundfunk schreibt Ulrich Chaussy einen Brief an Generalbundesanwältin Monika Harms. Er beantragt, dass die abgerissene Hand, die in der Asservatenkammer in Karlsruhe aufbewahrt wird, erneut untersucht wird. Als er eine Antwort erhält, ist Ulrich Chaussy außer sich vor Wut: Die Bundesanwaltschaft hat 1997 die Vernichtung aller bei ihr gelagerten Asservate vom Oktoberfestanschlag verfügt. Aus Platzmangel. Mit der Begründung, der Fall sei geklärt.

11. November 2011. Nach dem Selbstmord von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt fliegt die rechtsextreme Vereinigung Nationalsozialistischer Untergrund, kurz NSU, auf. Im Rahmen des Prozesses gegen Beate Zschäpe wird deutlich, in welchem Umfang Polizei und Verfassungsschutz von Rechten unterwandert wurden. Ulrich Chaussy greift den Fall in einem seiner Radiobeiträge auf und schlägt eine Brücke zwischen der NSU-Mordserie und allen Versäumnissen bei den Ermittlungen zum Oktoberfestanschlag: "Damals, 1980, waren die weitgehend gleichen Mechanismen des Wegschauens, des Ausblendens, des nicht wahrhaben Wollens bereits voll entwickelt, die wir jetzt im Fall NSU mit Erschrecken und Scham erkennen."

Autor/Bearbeitung: Frank Ehrlacher

Update: 31.01.2019


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