Es ist für die Menschen an der Zeit, den öffentlichen Raum zurückzuerobern – "The Human Scale" gewährt Einblicke in die städteplanerische Arbeit von Jan Gehl, sowohl in Dänemark als auch im internationalen Kontext und veranschaulicht seine Vision "Life Between Buildings" zu kreieren.
Seit 40 Jahren beobachtet Jan Gehl nun schon das Verhalten der Bewohner von Großstädten. Alles begann damit, dass ihn die Menschen mehr als die Gebäude interessierten – im Hinblick auf etwas, dass er als "das Leben zwischen den Gebäuden" bezeichnet. Woher kam es? Und wann wurde es zerstört? Könnte man es wieder erschaffen und wenn ja, wie? Er führte Studien darüber, wie Menschen eine Straße benutzen, wie sie gehen, sehen, sich zurufen, aufeinander treffen und miteinander umgehen.
Jan Gehl zieht zwar auch Statistiken zu Rate, aber seine Fragen sind andere: Wie viele Menschen kommen innerhalb von 24 Stunden eine Straße entlang? Wie viele davon sind Fußgänger? Wie viele benutzen ein Auto oder Fahrrad? Und wie viel Platz auf der Straße geht den verschiedenen Gruppierungen zu? Funktioniert das System dieser Straße gut für alle Beteiligten? Jan Gehl begann seine Beobachtungen in Italien und beeinflusste mit diesen Erkenntnissen die Städteplanung Kopenhagens 40 Jahre später. Dank seiner Ideen wurden Fußgängerzonen geschaffen und Radwege verbessert, es gab wieder mehr Parks, Plätze und weitere öffentlich zugängliche Orte in der ganzen Stadt und in vielen weiteren Städten in Skandinavien.
Moderne Städte sind größtenteils so sehr auf Autos ausgerichtet, dass die Innenstädte auszusterben drohen. In Melbourne waren die Straßen abends menschenleer und das öffentliche Leben praktisch nicht mehr vorhanden. Die Stadt erhielt den Spitznamen "Doughnut City". Gemeinsam mit Gehl begann die Stadtverwaltung nach einem Weg zu suchen, um das Leben wieder in die Innenstadt zurückzuholen. Sie überlegten sich ein neues System, in dem sie Straßen, die bisher beispielsweise als Stellplätze genutzt wurden, umfunktionierten. Die Straßen wurden "neu eröffnet", es gab Cafés, Geschäfte – und Menschen. Die Atmosphäre der Innenstadt hatte sich vollkommen verändert.
Im chinesischen Chongqing haben die Behörden in den letzten zwanzig Jahren das Städtesystem der westlichen Welt ausgiebig kopiert. Aber mittlerweile haben sowohl die Behörden als auch die NGOs Zweifel, ob das wirklich die beste Lösung ist. Haben Städte dieser Art Bestand? Der Architekt Kristian Villadsen, ein Anhänger Gehls, beobachtet gemeinsam mit chinesischen Studenten die Straßen von Shanghai, um zu verstehen, wie sich das Leben dort abspielt. Mit dieser Beobachtung kommen Fragen auf: Gibt es Besonderheiten an diesen Orten, die man beibehalten sollte? Diese Beobachtungen sollten auf Chongqing übertragen und in der dortigen Städteplanung umgesetzt werden. Doch nicht alle Beteiligten zogen an einem Strang...
In Bangladeschs Hauptstadt Dhaka sind die Probleme noch gravierender. Extremes Wachstum trifft auf enorme Armut - den Städtebau des Westens nachzuahmen ist hier keine Option. Es gibt schlicht und ergreifend zu viele Menschen, zu wenig Ressourcen und nicht genug Platz. Die "NGO Work For A Better Bangladesh" (WBB Trust) versucht, auf ihre Weise von Gehl inspiriert, die Behörden immer wieder darauf hinzuweisen, dass eine Lösung für alle Menschen gefunden werden muss, nicht nur für den wohlhabenden Teil der Bevölkerung. Eine Herausforderung für alle Beteiligten.
In New York wurde auf dem Times Square ein Pilotprojekt gestartet: Früher hauptsächlich von Autos frequentiert und kein "Platz" im eigentlichen Sinne, bietet der Times Square mittlerweile Raum für Fußgängerbereiche, Stühle und Bänke. Auf dem Broadway wurden Radwege eingerichtet, viele Bewohner fahren nun Fahrrad anstatt Auto. Eine kleine Revolution! In New York hat sich etwas verändert und auch hier waren Gehls Beobachtungen und Ideen maßgeblich beteiligt, da sich zeigte, dass 90% der Fläche von Autos genutzt wurde, obwohl 90% der Verkehrsteilnehmer Fußgänger waren. Die Behörden ließen sich inspirieren und versuchten etwas Neues. Nachdem viele Einwohner zunächst schockiert von der Idee waren, kommt der neu entstandene Raum mittlerweile gut an und wird für alles mögliche genutzt: von zufälligen Begegnungen mit anderen Menschen bis hin zu Schneeballschlachten. Auch in anderen amerikanischen Städten lässt man sich mittlerweile von Jan Gehls Ideen inspirieren...
Nach dem verheerenden Erdbeben 2011 in Christchurch, Neuseeland, waren große Teile des Stadtzentrums komplett zerstört. Die Behörden mussten in Zusammenarbeit mit dem Architekten David Sim bei Null anfangen. Nachdem die Einwohner aufgerufen wurden, ihre Wünsche bei der Stadtgestaltung einzubringen, zeigten sich nicht nur die konkreten Vorstellungen und klaren Prioritäten der Einwohner, sondern auch deren große Liebe zu ihrer Stadt. Jeder verband mit der Architektur der Stadt eigene Erinnerungen und Geschichten. Nach David Sim ist eine Stadt eben auch nicht nur eine gut kombinierte Infrastruktur, sondern auch ein komplexer lebender Organismus. Städteplaner und Architekten können die Rahmenbedingungen für Menschen und das sich abspielende Leben bieten. Den Ausgangpunkt dafür bilden jedoch die Menschen selbst. Und dies versucht man nun auch in Christchurch umzusetzen...
Autor/Bearbeitung: Frank Ehrlacher
Update: 31.01.2019
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