Braucht es da 60 Jahre später eine Neuverfilmung als Weihnachts-Blockbuster? Nein, selbst von einem Star-Regisseur wie Steven Spielberg nicht, schien spätestens nach Ansicht von ein bis zwei wenig aufregenden Trailern klar. Umso überraschender ist das gelungene Resultat!
Musikalisch funktionieren die Bernstein'schen Ohrwürmer ("Tonight", "America", "I Feel Pretty", "Somewhere"…) wie eh und je. Zum mitreißenden Leinwanderlebnis werden sie einmal mehr durch energiegeladene Straßengang-Choreographien und hinreißende Darsteller. Es punkten vor allem die starken Frauen: YouTuberin
Rachel Zegler spielte die Maria als Teenagerin schon auf einer kleinen Bühne in New Jersey und legt hier ihr charmantes Leinwanddebüt hin. An ihrer Seite überzeugt
Ariana DeBose ("The Prom") als Marias impulsive Schwägerin Anita. DeBose könnte bei den nächsten Oscars in der Nebendarstellerinnen-Kategorie tatsächlich gegen
Rita Moreno antreten, die vor 60 Jahren für dieselbe Rolle ausgezeichnet wurde – und nun mit an die 90 in der Neuverfilmung eine neue Figur auf den Leib geschrieben bekam (und den berührendsten Song singen darf).
Es sind kleine Änderungen wie diese, die die neue "West Side Story" nicht nur handwerklich gelungen, sondern zeitgemäß relevant machen. Drehbuchautor Tony Kushner ("Angels in America") widerstand der naheliegenden Versuchung, die Handlung in die Gegenwart zu verlegen. Stattdessen arbeitet er deutlicher die Konflikte heraus, die schon im Amerika der 50er Jahre verankert waren und noch Jahrzehnte später Nationen spalten. Wenn die "Verlierer" von Profitgier und Gentrifizierung aufeinander losgehen, ist es egal, ob es Weiße gegen Latinos oder Trump-Hinterwäldler gegen Black-Lives-Matter-Demonstranten sind. Auch Themen wie die Diskussion um Schusswaffen oder die Identitätssuche eines Trans-Charakters gab es schon 1957 – und werden hier noch einmal deutlicher in den Fokus gerückt.
Das ist weniger aufgesetzt und verkopft als es klingt, zumal Kushner und Spielberg auch der zentralen Romanze mehr Raum geben. Maria und Tony (
Ansel Elgort, "Baby Diver") dürfen richtig flirten und haben ein erstes Date. Die Chemie stimmt. Vor allem, wie in der legendären Balkon-Szene diesmal mit Distanz und Annäherung gespielt wird, ist wirklich umwerfend.
Die schönsten Weihnachtsgeschenke sind die, von denen man sich sicher war, dass man sie nicht braucht – und von denen man dann doch begeistert ist.
Fazit: Tolle Neuinszenierung des Musical-Klassikers – zeitlos schmissig, subtil modernisiert.