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Verbotene Filme - Plakat zum Film

VERBOTENE FILME

(D, 2012)


Regie: Dr. Felix Moeller
Film-Länge: 98 Min.
 

 
 
 
 
 

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 Kino-Start:
 06.03.2014

 DVD/Blu-ray-Start:
 10.10.2014

 Free-TV-Start:
 16.02.2016

 (rbb)

"Verbotene Filme" - Handlung und Infos zum Film:


Besuch im Bundesarchiv Film, Außenstelle Hoppegarten. Hier lagern in klimatisierten Betonbunkern auch deutsche Filme aus der Zeit zwischen 1933 und 1945 als Nitrozellulosekopien und sind damit in doppelter Hinsicht Sprengstoff – fünf Tonnen explosives Material, dessen Inhalt zusätzliche Probleme bereitet: antisemitische, -englische, -polnische, -französische und -russische Propaganda, Filme, die für Euthanasie, für die NSDAP und SA, für den "Führer", für die "Volksgemeinschaft" werben und gegen abstrakte Kunst oder die Weimarer Republik hetzen.

300 Filme aus dieser Zeit wurden nach 1945 von den Alliierten als Propaganda verboten, über 40 NS-Filme sind bis heute legal nur eingeschränkt zu sehen. Diese Filme werden "Vorbehaltsfilme" genannt – d.h. der Zugang zu ihnen ist erschwert. Für Filmwissenschaftlerin Sonja M. Schultz ergeben sich daraus folgende Probleme: Der Gang ins Archiv stellt für die meisten eine Hürde da, öffentliche Vorführungen sind selten, im Netz oder Handel wäre man gezwungen, auf "rechte" Angebote zurückzugreifen.

Warum ist dieser Zugriff erschwert? Die meisten dieser Filme sehen heute lächerlich aus, findet der Historiker Moshe Zimmermann (Hebrew University Jerusalem), aber sie schreiben Stereotypen fort. Sie deshalb den Menschen vorzuenthalten, sei nicht schlau, sagt dagegen der Filmregisseur Oskar Roehler – denn es sei nie schlau, Wissen vorzuenthalten.

"Der Film ist unser wichtigstes Propagandamittel." (Joseph Goebbels in einer Rede im Februar 1941.) Ein Film wie "Die große Liebe" hatte 1942 29 Millionen Zuschauer in Deutschland, "Jud Süß" (1940) 20 Millionen. Zum Vergleich: "Keinohrhasen" hatte nur 6, selbst "Avatar" nur 11 Millionen. Im Jahr 1943 gingen ca. eine Milliarde Menschen in Deutschland ins Kino – 2012 waren es nur 120 Millionen. Sonja M. Schultz weist darauf hin, dass Goebbels und Hitler eine große Affinität zum Film hatten, dessen Funktion es auch war, gegen die Realität anzuproduzieren.

Goebbels (Tagebücher, 1941) fand den Film "Heimkehr" (1941) "erschütternd und ergreifend zugleich". Rainer Rother, der Leiter der Deutschen Kinemathek Berlin, erklärt: Dieser Film sollte den Überfall auf Polen rechtfertigen. Den Polen wurde unterstellt, die Deutschen in ihrem Land ausrotten zu wollen, weshalb sie "heim ins Reich zurückgerettet" werden mussten. Sonja M. Schultz weist auf die perfide Instrumentalisierung von Kindern in diesem Film hin – die als besonders brutal gezeichneten polnischen Kinder sollten deutlich machen, dass der slawische Mensch "von Kindheit an verdorben" sei. Alles, was die Nazis anderen Menschen angetan haben, wird in diesem Film einfach den Polen zugeschrieben.

Ein Zuschauer der Reihe "NS-Filmpropaganda" sagt nach Sichtung des Films, hier sei der "gnadenlose polnische Terror gegen die deutsche Minderheit gut gezeigt" worden. Eine extreme Ansicht zwar, aber würde man das als historisch nicht informierter Mensch nicht ebenso denken, wenn man den Film gesehen hat?

Ist die Wirkung eines Films wie "Heimkehr" gefährlich? Der gesamte Filmstock aus den Jahren 1933–45 ist in den Bestand der 1966 gegründeten Murnau-Stiftung eingegangen – dort wird entschieden, welche Filme freigegeben werden. Die Frage ist: Wie kann man – rein sachlich, nicht moralisch argumentierend – Kriterien für "gefährliche" Filme erstellen?

"Der Film ist das Erziehungsmittel für unsere Jugend." (Goebbels, Rede, März 1941). In Filmen wie "Der Stammbaum des Dr. Pistorius", "S.A. Mann Brand" und "Hitlerjunge Quex" werden junge Männer gezeigt, die sich gegen die Ideale ihrer Eltern auflehnen. Heutige Aussteiger aus der rechten Szene berichten von Filmabenden, auf denen sich genau das als verblüffend aktuell und anschlussfähig für heutige Jugendliche erweist, die oftmals aus linken Elternhäusern kommen. Christiane von Wahlert, seit 2002 Geschäftsführerin der FSK, schildert, dass Jugendschützer davon überzeugt sind, solche Filme würden Jugendliche, die zum Rechtsradikalismus neigen oder sich in einer politischen Orientierungsphase befinden, "beeinträchtigen" und "gefährden". Die "Aussteiger" wissen: Verbote machen Filme erst recht interessant – sie zu sehen, komme einem Tabubruch gleich. Sind Verbote nicht Zeichen, dass eine Gesellschaft Wahrheiten nicht verträgt?

Nach Vorführungen von "Jud Süß" wird das Publikum befragt. Die leichte Zugänglichkeit des Films wird bemerkt und die effektive Dramaturgie. Der Film sei ein Kondensat aller Stereotypen der Nazis über Juden, sagt die Historikerin Sylvie Lindeperg nach einer Vorführung in Paris – eine Art "antisemitische Grammatik der Zeit". Aber heute? Man sei doch informiert und könne den Film kontextualisieren, sagen Studenten – ihn zu verbieten, sei merkwürdig. Andere betonen die Stereotypen des Films, die heute in anderen Zusammenhängen genauso funktionierten. Da sei der Böse eben meistens ein arabischer Terrorist. Eine Zeitzeugin möchte nicht, dass der Film ohne Einordnung und Rahmenveranstaltung, etwa einfach so im Fernsehen, gezeigt werde. Ein Ausschwitz-Überlebender hat Angst davor, dass ein solcher Film in einer Zeit, in der wieder Sündenböcke gesucht werden, erneut gefährlich werden könnte.

Oskar Roehler findet, dass "Jud Süß" ein brillant gemachter Unterhaltungsfilm sei, der im Unterbewussten wirke. Aussteiger aus der rechten Szene wissen, dass das Feindbild immer noch existiert, auch wenn es heute mit Kapitalismus und Globalisierung verknüpft wird. "Der ewige Jude", ein besonders deutlich antisemitisch wirkender Film, werde dagegen auch in der rechten Szene nicht mehr ernst genommen, weil er so überzogen sei. Bei "Die Rothschilds" sehe das aber schon anders aus, da manche immer noch die Juden als kapitalistische Haupt-Akteure konstruierten. Moshe Zimmermann zeigt diesen Film seinen Studenten. Die finden den Film eher ungefährlich, auch wenn sie wissen, dass der Zusammenhang "Juden und Geld" immer noch weltweit ein Thema sei. Zimmermann selbst berichtet, dass man in Israel die Vorsicht der Deutschen ihrem Filmerbe gegenüber nicht verstehe. Er findet, dass "Jud Süß" im Fernsehen laufen solle; die Erziehung müsse vorher greifen.

Musik, Show, Action, Abenteuer bestimmen viele Filme aus der NS-Zeit. Vor allem Komik war ein wichtiger Faktor, denn es seien ja auch Unterhaltungsbedürfnisse befriedigt worden, so Rainer Rother. Erfolgsmuster wurden aufgegriffen und aufgeladen, nicht alle Filme waren Träger von Nazi-Botschaften. Oskar Roehler berichtet von Clubpartys in New York und Berlin in den 1980ern, auf denen diese Filme liefen.

Sonja M. Schultz weist darauf hin, dass viele NS-Produktionen nach dem Krieg durch Herausschneiden besonders deutlicher Propagandabilder "bereinigt" worden seien. Hier war das "volkspädagogische Ethos" der FSK am Werk, weiß deren heutige Leiterin, obwohl dem das Zensurverbot vom Grundgesetz-Artikel 5 entgegen stand. "Ein brachiales, verstümmelndes Verfahren", findet Rainer Rother und betont, dass man ja keinen völlig neuen Film erhalte, wenn man zwei Minuten herausschneide. Der Filmhistoriker Thomas Koebner fordert, dass man diese Schnitte rückgängig machen und sich mit diesen Filmen auseinandersetzen müsse – es sei durchaus gerechtfertigt, vor Filmen Angst zu haben, in denen eine halbe Minute einem Hitler-Bild gewidmet sei.

In zwei "Vorbehaltsfilmen" spielt Emil Jannings die Hauptrolle, in fünf von ihnen Heinrich George. Jannings, der vorher schon in Hollywood arbeitete, entschloss sich gegen die Emigration – nur in Deutschland konnte er die Rollen spielen, die er spielen wollte. "Ohm Krüger", Jannings Lieblingsprojekt, sollte schon vor dem "Dritten Reich" realisiert werden – mit Goebbels’ Unterstützung schließlich konnte Jannings seine Ideen in die Tat umsetzen: Er nahm Einfluss auf Bauten, Kameraführung, Musik, in den Credits ist von seiner "Gesamtleitung" bei dem anti-britischen Hetzfilm die Rede. "Jannings ist ganz glücklich", notiert Goebbels 1941 in seinem Tagebuch. Jörg Jannings, der Neffe, bedauert, dass sein Onkel nie in die Konfrontation gegangen sei, immer nur davon sprach, das Projekt sei ihm "aufgezwungen" worden.

Für Heinrich Georges Engagements in den NS-Filmen findet Thomas Koebner deutlichere Worte: Das sei ein ehemals linker Schauspieler gewesen, der mit fliegenden Fahnen zu den Nazis übergelaufen sei. Die späteren Aussagen, er sei nicht schuld gewesen, man habe ihm alles zugefügt, entsprächen absurderweise seinem Rollenimage in den Filmen, in denen er stets etwas von einem "verletzten Kind" gehabt habe. Oskar Roehler sieht in George den klassischen Schauspielertypus, der seine Sehnsucht, "große Rollen" zu verkörpern, über alles gestellt habe.

"Wenn du mich wirklich lieb hast – erlöse mich!", fleht die an MS erkrankte Arztgattin in Wolfgang Liebeneiners Film "Ich klage an" (1941). Das Thema der aktiven Sterbehilfe ist bis heute aktuell, beschäftigt die Menschen, stellt eine Herausforderung für das christlich-moralische Weltbild dar. 2014 wird eine große gesellschaftliche Debatte stattfinden, die zu einer neuen Gesetzgebung führen soll. Liebeneiners Tochter Johanna erzählt von der Intention des Vaters, diese wichtige Diskussion in die damalige Öffentlichkeit zu bringen. Er habe sich aber von den Nazis missbrauchen lassen, die abklopfen wollten, wie die Deutschen über Tötung auf Verlangen dachten – mit der Intention, auf die geplanten Euthanasiemorde vorzubereiten. "Großartig gemacht und ganz nationalsozialistisch", fand Goebbels den Film. "Er wird heißeste Debatten entfachen. Und genau das ist sein Zweck."

Der Historiker Götz Aly erinnert an 70.000 Anstaltspatienten, die von den Nazis ermordet wurden und sieht die von Anfang an konzipierte Funktion des Films darin, das überforderte christliche Gewissen der Deutschen zu entlasten, die eine offene Thematisierung der Liquidierungen nicht ertragen hätten. Der Film transportiere das Thema deshalb ins Halbdunkel einer privaten Diskussion – es ist ja die Kranke selbst, die in diesem Film lieber sterben will als ein "Krüppel" zu sein. "Ich klage an" zeige die "weiche, schöne, angenehme Seite des Nationalsozialismus", die aber das Ziel gehabt hätte, "harte Verbrechen" zu ermöglichen.

Freigeben oder nicht? Ernst Szebedits, der Leiter der Murnau-Stiftung, findet die Vorstellung unangenehm, in einer nicht kontrollierten öffentlichen Vorführung von "Jud Süß" grölende Neonazis sitzen zu haben, während vielleicht auch Überlebende des Nazi-Terrors anwesend sind. Sonja M. Schultz würde es auch nicht befürworten, einen solchen Film im DVD-Regal eines Supermarkts stehen zu sehen. Sie schlägt vor, über die Präsentationsformen nachzudenken – die Covergestaltung zu überprüfen, einen Audiokommentar anzulegen, eine Spende an ein linkes Projekt im Verkaufspreis zu verankern. Rainer Rother spricht sich dafür aus, immer wieder zu evaluieren, wie die Vorbehaltsfilme gerade rezipiert werden. Er bezweifelt allerdings, dass eine neue Evaluierung auf eine völlige Freigabe hinauslaufen würde.

Oskar Roehler wünscht sich dagegen eine Kollektion der interessantesten Propagandafilme. Für ihn wäre das freigegebene Nazi-Filmerbe eine wichtige Informationsquelle für Interessierte aus dem Bildungsbürgertum – alle anderen kämen ja ohnehin an die Filme heran. Götz Alys Position ist vielleicht noch entschiedener: Er ist für die völlige Freigabe der Filme, damit man über sie diskutieren könne. Natürlich sei die Möglichkeit des Missbrauchs gegeben – aber das sei besser als das heimliche Konsumieren...

Autor/Bearbeitung: Frank Ehrlacher

Update: 31.01.2019


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